von Corinna Becker
Laut den verschiedensten Werbeprospekten aus der Esotherikbranche ist der Umgang mit einem Pendel denkbar einfach. Angeblich kann man mit einem Pendel in die Zukunft schauen, Antworten auf lebensentscheidende Fragen finden oder auch die Bekömmlichkeit von Speisen testen. Um wirklich „wahre Ergebnisse“ zu bekommen, soll vorher – mit dem Pendel – vereinbart werden, welche Bewegungen ein „Ja“ (z.B. eine Bewegung zum Herzen hin) und welche ein „Nein“ (z.B. eine Bewegung von links nach rechts) bedeuten soll – denn nur dieses beiden Antworten kennt das Pendel.
Jugendliche, die mit esoterischen oder okkulten Praktiken experimentieren, erklären sich die Pendelbewegung folgendermaßen: Das Pendel bewegt sich durch die Einwirkung eines Geistes. Eine Kartenlegerin aus München hält diese Erklärung als die sinnvollste und schlüssigste für die Funktion des Pendels: „Jeder Mensch besitzt in den Fingerspitzen kleine Muskelgruppen, die nicht willentlich bewegt werden können. Diese Muskeln bilden den Antrieb des Pendels und da sie von uns nicht beeinflussbar sind, entstehen die Bewegungen unbewusst. Somit zeigt uns das Pendel die Antworten auf unsere Fragen, die unser Unterbewusstsein bereits kennt.“
Allerdings reichen Naturwissenschaft und Psychologie zur Erklärung völlig aus: Ein erschütterungsfrei aufgehängtes Pendel bewegt sich nicht, außer es ist so riesig, wie das Foucaultsche Pendel, das auf die Erdumdrehung reagiert. Sobald man das Pendel von der Hand herunterhängen lässt, wirken jedoch auslenkende Kräfte ein, auch wenn die Pendler davon überzeugt sind, dass sie ihr Instrument ruhig halten. Bewegungslosigkeit von Hand und Arm kommt durch Muskelarbeit zustande, bei der sich die Kräfte aufheben. Aber diese sind nie so im Gleichgewicht, dass sich nichts bewegt. Früher oder später tritt Ermüdung ein, die sich in Zittern äußert. Dies genügt, um ein Pendel zum Schwingen zu bringen.
Aber warum bewegt sich das Pendel so, wie es erstaunlicherweise geschieht? Wieso kreist das Pendel bejahend über einer Banane und ablehnend über einem Apfel? Verantwortlich ist dafür der ideomotorische Effekt, von griechisch „idio“ – eigen, eigentümlich, selbst – und „motorisch“ – bewegend, der Bewegung dienend. „Ideomotorisch“ bedeutet demnach „selbst ausgelöste Bewegungen“. Der Mediziner und Zoologe William B. Carpenter wies 1852 nach, dass das Wahrnehmen und Vorstellen von Bewegungen zum Mitvollzug der Bewegungen treibt. Der nach ihm benannte Carpenter-Effekt sagt aus, dass „jeder subjektive Erlebnisinhalt einen Antrieb zu einer objektiven Verwirklichung einschließt“. Dieser Grundsatz umfasst somit nicht nur die Bewegung allein, sondern ebenso Gefühle und Vorstellungen. Auf das Pendeln angewandt bedeutet dies: Die gedanklichen Vorstellungen, die sich der Pendler von den Pendelbewegungen macht, werden bei vielen Menschen – es funktioniert nicht bei allen – in unwillkürliche Bewegungen der Hand umgesetzt. Solche Selbstbeeinflussung nennt man Autosuggestion.
Beim Pendeln, so Erich Nestler, Privatdozent für Praktische Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg, werden also Schichten der Seele des Menschen aktiviert, die dem Bewusstsein entzogen sind, d.h. der Pendler lässt sich auf Dimensionen seiner Person ein, die seinem Verstand nicht unmittelbar zugänglich sind. Somit wird nicht nur Wünschenswertes, sondern unter Umständen auch Bedrohliches, Unheimliches aus den Tiefen der Seele dem Bewusstsein zugeführt, ohne dass der Einzelne diese Dinge seiner Lebensgeschichte sachgemäß zuordnen kann. Dieser Bereich wird von der Tiefenpsychologie als das „Unterbewusste“, mit der ihm eigenen Dynamik, bezeichnet.
Und hier sieht Erich Nestler auch die besondere Gefahr des Pendelns und nennt an dieser Stelle den amerikanischen Theologen und Psychologen Morton T. Kelsey: „Mann kann die Dimension des Unbewussten im Menschen als eine besonders geheimnisvolle (weil dem Wachbewusstsein entzogene) „Schnittstelle“ zur Transzendenz, zur „unsichtbaren Welt“ auffassen.“ Kelsey meint, dass sich Gott dem Menschen – neben der in der Bibel festgehaltenen Offenbarung, die das Bewusstsein anspricht – ebenfalls über das sogennante Unbewusste nähert. Aber auch das Böse – unpersönlich als auch personal – versucht, über diese „Schnittstelle“ auf den Menschen einzuwirken. Der Mensch hat keine Möglichkeiten zur methodischen Kontrolle der Vorgänge in der transzendenten Welt zur Verfügung. Sie ist unseren fünf Sinnen nicht zugänglich.
Aus dem Blickwinkel der Bibel betrachtet gehört das Pendeln zu jener Klasse von Verfahren (wie z.B. Kartenlegen, Teeblätter- und Kaffeesatzlesen usw.), die als „Wahrsagen“ bezeichnet werden. „Wahrsagen“ wird in der Bibel ausdrücklich als ein Greuel in Gottes Augen definiert (vgl. 3. Mose 19, 26). Das hängt einerseits mit der Verbindung des Wahrsagens in heidnischen Kulten zusammen und ist somit ein Verstoß gegen das erste Gebot, andererseits wird auch der problematische Aspekt der „sich selbsterfüllenden Prophezeiung“ berücksichtigt, weil Voraussagen den Betroffenen dazu veranlassen können, das Vorhergesagte unbewusst selbst herbeizuführen.
Aber dem Menschen, der sich bei wichtigen, die Zukunft betreffenden Entscheidungen an Gott selbst wendet, gilt die Zusage: „Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, den du gehen sollst; ich will dich mit meinen Augen leiten“. (Ps 32, 8) Wie Gott dabei vorgeht, ist an keine Regel gebunden, das liegt in seiner souveränen Entscheidung. Grundsätzlich kommen dabei alle Sinneskanäle und die intuitiven Wahrnehmungsfähigkeiten des Menschen (z.B. Träume, innere Eindrücke und Impulse) als Kommunikationsbahnen in Frage, meist jedoch wird sich Gott durch die Bibel und den Rat oder die Warnung wohlmeinender Menschen mitteilen.
Aber dass der lebendige Gott durch die Bibel zu einem Menschen spricht, uns in allen Lebenslagen helfen will und kann, diese Art der „unbewussten Wahrnehmung“ wird eingetauscht gegen zum Teil sehr fragwürdige und auch nicht ungefährliche Praktiken, die den „richtigen Weg“ fürs Leben weisen sollen.